Hallo, mein Name ist Melissa Renner. Ich studiere Pädagogik und Kunstgeschichte an der FAU.
In diesem Video sehen wir uns die Ball- und Tanzkultur in barocken Könighäusern an,
vor allem am englischen Königshof unter Charles II., aber auch andere Einflüsse
europäischer Höfe und Kulturen. Das Thema fasziniert mich persönlich,
da ich selbst seit Jahren gerne tanze. Im klassischen Ballett findet man so vieles
aus diesen Anfängen des hochkulturellen Bühnen- und Balltanzes wieder. Hier wurden auch die
Grundlagen des heutigen Standardtanzes gelegt und doch hat sich seitdem so viel verändert.
Ich hoffe, Sie finden das Thema so spannend wie ich selbst.
Wir starten mit dem Werk von Hirani Mosjansons King Charles II. Dancing at a Ball,
welches circa 1660 entstanden ist. Charles und seine Schwester Mary tanzen zusammen einen
französischen Gesellschaftstanz namens Courant vor einem großen Publikum in einem festlichen
Saal in Den Haag. Sie tragen die typische französisch inspirierte Mode, die für große
Feierlichkeiten üblich war. Mit der Restauration und Rückkehr des Königs nach London brachte dieser
die französische Mode Festzeremonien und Tänze mit nach England. Der höfische Tanz ist aber keine
rein französische Erfindung, auch wenn Ludwig XIV. die Ball- und Ballettkultur zu Blüte brachte
und perfektionierte. Nicht umsonst erhielt er seinen Beinamen, der Sonnenkönig, aus einem seiner
zahlreichen Bühnen-Tänze, als er 1653 im Ballet de la Nuit als tanzende Sonne auftrat, die ganz im
Sinne des barocken Absolutismus sogar über die Nacht triumphierte. Tanz als Repräsentationsmittel
und Kunstform der Adeligen durchzog wohl alle europäischen Höfe des Barocks sowie schon der
Renaissance und alle Ereignisse des höfischen Lebens. Ständiges Tanztraining gehörte zu den
täglichen Übungseinheiten eines Höflings. Annut, Beweglichkeit, Grazie und Haltung waren sowohl
im Ballsaal als auch im Alltag eines Königs, Fürsten und aller Mitglieder des Hofstaats
notwendig. Danach gestaltete sich auch der Ablauf eines Ballabends, meist nach einem geregelten
Programmablauf, welchen der König und die Königin als erstes Tanzpaar einleiteten. Den ersten Teil
bildete zunächst der noch aus dem Mittelalter stammende Kreis- oder Reintanz, an dessen Spitze
das Königspaar stand. Nach Rangordnung reiten sich nun alle Paare ein, denen es erlaubt war,
auf der Tanzfläche zu sein. Diese Gruppentänze waren im 17. Jahrhundert durchaus Ausdruck von
Gemeinschaftlichkeit und Einheit der höfischen Gesellschaft trotz Rang- und Stellungsdifferenzen.
Nun folgte ein einzelner Paartanz wie die Courante oder später das Menuet, welchen immer das
Königspaar eröffnete. Abgelöst wurde es dann durch das nächste Paar in der Hierarchie, zum
Beispiel den Bruder des Königs und dessen Chemalen. So tanzte jedes Paar des Abends einmal allein auf
der Tanzfläche unter den Augen aller Anwesenden und stellte Können und Anmut zur Schau, was ein
vorheriges intensives Training der aktuellen Tänze und Choreografien bedeutete. Beim
dritten Teil und Abschluss des Abends, dem Kontratanz, nahmen nun wieder alle Paare gemeinsam teil.
Diese typisch englischen Tänze, entwickelt aus englischen Gassentänzen und französischen
Carrettenzen, haben alle eine einfache, interaktive und sich wiederholende Schritt- und Figurenfolge
gemeinsam. Viele Paare können auch bei wenig Platz gemeinsam auf der Tanzfläche sein, ohne
einander in die Quere zu kommen. Von England aus verbreitete sich diese Tanzgattung in ganz Europa
und vor allem in Frankreich fand sie besonderen Gefallen. Diese Paartänze kann man sich aber
keinesfalls so vorstellen wie ein heutiger Walzer oder Tango. Das Paar berührte sich nur zeitweise
an den Händen, indem der Mann die Frau in einer Art Z-Bewegung durch den Raum führte. Ansonsten
hatte man keinerlei Körperkontakt und führte die Tanzschritte dabei für sich alleine aus,
je nach Können und Kunstfertigkeit vereinfacht oder komplizierter. Dieser zweite Teil des Balls ging
so lange, bis jedes Paar an der Reihe war und konnte so manchmal mehrere Stunden in Anspruch
nehmen. 1688 entwickelte André Leran ein Mitglied der Académie Royal de Danse, welche 1651 von
Ludwig XIV. gegründet wurde, den Contre-Dance zur typisch französischen Eleganz weiter.
Um die Tanzchoreografien so einfach und verständlich wie möglich festzuhalten und
überliefern zu können, entwickelte John Playford 1651 eine eigene Zeichensprache für die verschiedenen
Schritte zu den jeweiligen Musikstücken. Bis 1728 erschienen insgesamt 18 Auflagen des
Dancing Masters, wobei in den letzten Auflagen bis zu 360 verschiedene Tänze und Melodien
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:07:51 Min
Aufnahmedatum
2022-04-06
Hochgeladen am
2022-04-06 12:16:04
Sprache
de-DE